Das Ego stört im Ehrenamt

Das Ego stört im Ehrenamt

Foto: Jan Weckelmann

Ich habe doch keine Zeit. Mir hilft ja keiner. Ich bin doch hier der Einzige. Was wäre ein Verein ohne „Ich“, „mein“ und „mir“? Ego heißt der Modus, in dem wir diese Wörter nutzen. Er hat uns fest im Griff und wirkt sich auf das Ehrenamt aus.

Man könnte sich das Ego als einen Hochstapler im Kopf vorstellen, der vorgaukelt, ich selbst zu sein. „Ich“ gebrauchen wir als eines der häufigsten Worte – und das sagt meistens unser Ego, denn das Wort drückt ein Bild aus, das man von sich selbst hat. Das Ego steckt in jedem Kopf und man wird es nicht los. Wir können es nur bekämpfen, wenn wir bewusst wahrnehmen, wann das Ego spricht. Aber was ist so schlimm am Ego?

Angst, Gier und Machthunger sind die Auslöser von Krieg und Gewalt und ohne Frage negative EgoVerhaltensweisen. Auch durch schwächere Ausführungen entstehen Konflikte in persönlichen Beziehungen und in ehrenamtlichen Prozessen. Angst, Gier und Machthunger führen zu Fehlinterpretationen verschiedenster Situationen. Durch das Ego verhält man sich oft unbewusst falsch, um sich von seiner Angst zu befreien und seine Bedürfnisse nach mehr Anerkennung zu stillen.

Klagen dient dem Ego

Wer hat sich nicht schon einmal über Unehrlichkeit anderer aufgeregt oder sie beschuldigt, etwas getan oder nicht getan zu haben? Solche Verhaltensweisen mag das Ego. Meistens sind die Makel der anderen von einem selbst gemacht. Wir beschuldigen sie, um Recht zu haben. Um uns überlegen zu fühlen. Besser sollten wir die Verhaltensweisen von anderen Personen als egobezogen erkennen und unserem Zwang entgehen, darauf auf persönlicher Ebene zu reagieren. Wenn wir uns beklagen, sollten wir uns darüber bewusst sein, dass das Klagen oft nicht der Veränderung dient, sondern dem Ego.

Das Ego stört den Fluss

Der Sportwissenschaftler Dr. Simon Sirch forscht über „flow“, einem Bewusstseinszustand, den man erlebt, wenn alles wie am Schnürchen läuft. Für ihn ist die negative Version des Egos der „Flow-Killer Nummer 1“. Er sieht sie eng verknüpft mit dem „inneren Kritiker“. Das negative Ego dramatisiert beispielsweise Ereignisse und betäubt Erlebnisse. Es hält krampfhaft an
„seinem“ fest und reduziert Themen auf seine Sichtweise – das Ego bockt und blockiert.

Eine positive Version des Egos sieht Dr. Simon Sirch aber auch: Es schreibt sich zum Beispiel stabile Eigenschaften zu, hat Willens- und Durchsetzungskraft und erlebt sowohl Betroffenheit als auch Lebendigkeit. Die positive Version ist wohl möglich der Anschub für ehrenamtliches Engagement.

Wenn wir im Ehrenamt angekommen sind, ein bestimmtes Ziel erreichen wollen, mit anderen Menschen zusammenarbeiten und dabei noch eine Art „flow“ erleben wollen, sollten wir unser Ego schnell erkennen und umgehen. Dafür ist es wichtig, noch einmal tiefer zu begreifen, wie sich das Ego verhält: Der spirituelle Lehrer Eckhart Tolle beschreibt in seinem Buch „Eine neue Erde – Bewusstseinssprung anstelle von Selbstzerstörung“ das Ego als die Identifikation mit einer Form und meint damit in erster Linie Gedankenformen. Unsere Gedanken ordnen Objekten ein Ichgefühl zu, wodurch wir „mein Auto“, „meine Gymnastikmatte“, „mein Sport“ sagen. Ich leide, wenn mein Auto kaputt geht – allerdings nicht wegen des eigenen Wert des Autos, sondern wegen des Gedankens „mein“. Der Gegenstand lässt sich leicht durch einen neuen ersetzen. Übertragen auf das Ehrenamt identifizieren wir uns mit Aufgaben, Abläufen und Posten. Haben wir das Gefühl, dass jemand etwas anders machen möchte und „meine“ Arbeit in Frage stellt, kränkt das das Ego. Wenn uns dies bewusst wird, nehmen wir Kritik und Änderungen weniger persönlich und können noch einmal mit Abstand auf die Situation blicken: Leide ich, weil ich mich bereits mit einer Sache identifiziert habe? Kommen wir durch einen anderen Weg nicht auch ans Ziel – vielleicht sogar schneller und einfacher?

Das Ego ist nichts Persönliches

„Das haben wir immer schon so gemacht“ ist der altbekannte Satz, durch den neue Ideen begraben werden. Doch der Glaube, das einzig richtige zu machen, steckt noch in vielen Köpfen und schadet dem Ehrenamt. Durch das Ego entstand wohl erst der Begriff der „Vereinsmeierei“. In Folge dessen klammerten sich alteingesessene Ehrenamtler an Posten, Aufgaben und Strukturen bis zum endgültigen Ausscheiden ihrer selbst. Manche kleine Vereine brachte dies bereits zur Auflösung, andere Vereine bekamen erst durch den Abgang egoistischer Ehrenamtler den Aufschwung, da aus der Not plötzlich wieder der gesellschaftliche Zweck des Vereins im Vordergrund stand.

Dürfen wir nun kein „Ich“ und „mein“ mehr sagen? – Doch, das dürfen wir, aber wir sollten es bewusst benutzen. Eckhart Tolle schreibt, das Ego sei nicht falsch, nur unbewusst. Das Ego sei nichts Persönliches. Er empfiehlt, es zu ertappen und dann zu lächeln.

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