Vor 125 Jahren: Dortmunder Fußball-Club gegründet
Sie waren bei den kleinen und großen Straßenfußballern Mitte der 1950er Jahre in aller Munde: Jupp Thater, Walter Schrimpf, Wilhelm Grote, Heinz Casper und Karl-Heinz Holzgräwe kickten aber nicht etwa für den BVB, sondern für den Dortmunder Sport-Club von 1895, den ältesten hiesigen Fußballverein. Auch BVB-Präsident Dr. Reinhard Rauball jagte dort einige Zeit später dem runden Leder hinterher. Genau dieser DSC 95, ursprünglich Dortmunder Fußball-Club von 1895, wurde 2020 stolze 125 Jahre alt.
Als er am 10. Mai 1895 gegründet wurde, war Fußball beileibe noch nicht die Nr. 1 im Sport. Im Gegenteil! Die »Fußlümmelei«, so ein Schimpfwort, fristete nach ihrem Import aus England 1874 zunächst lange ein Mauerblümchendasein und war als unpädagogisch und unsportlich roh verschrien. »Trotz alledem muss gewissenhaft registriert werden, dass das Fußballspiel Feinde hat wie kaum ein anderer Sport. Es führt zu Raufszenen und verroht die Jugend, es ist reiner Muskelsport und bedingt keinerlei geistige Inanspruchnahme, die Beine werden das Zentrum des Körpers, alles andere ist Nebensache, die Arme sind überflüssige Anhängsel, das Haupt gerade gut genug, einen Ball zu »köpfen«, und der Fußballchampion ist der Typus der vom Sport verschuldeten Degeneration«, war damals keine Einzelmeinung.
SCHÜLER »KLÜTEN« HEIMLICH NACH DER SCHULE
In Dortmund wurde seit 1890 gekickt, pardon »geklütet,« wie es damals hieß. Die gut-bürgerlichen Schüler des Bismarck-Realgymnasiums an der Beurhausstraße waren die Ersten. Die Studierenden der Königlichen Maschinenbauschule in der Sonnenstraße stießen hinzu. Als Ergebnis dieser Liaison entstand der Dortmunder Fußball-Club. In einer historischen Vereinspublikation heißt es: »Nichtachtend der Anfeindungen, trotz aller Strafen, die ihnen, den heimlich Fußballbesessenen, seitens der Lehrer und Väter drohten, schlossen sich am 10. Mai 1895 16 junge Männer, vorwiegend ehemalige Schüler des Realgymnasiums, die in oder nach ihrer Schulzeit heimlich auf irgendeine Weise außerhalb der Wälle wieder »geklütet« hatten, zum ersten Dortmunder Fußball-Club (DFC) zusammen. Am 6. Juli war zum ersten Mal in der örtlichen Presse von der Existenz dieses Fußballclubs zu lesen. Noch im Gründungsjahr konnte das erste Wettspiel ausgetragen werden, und zwar gegen eine heimlich spielende Mannschaft des Realgymnasiums. Es wurde 1:0 gewonnen.« Ein Zeitzeuge beschrieb die damaligen ersten Gehversuche: »Als wir wieder einmal sonntags zur Radrennbahn kamen, war da was Neues los. Im Innenraum spielten etwa 15 Mann mit einem dicken Ball, und zwar mit den Füßen. Kurz und gut, es war der Dortmunder Fußballclub. Wir verstanden das noch gar nicht, kamen aber bald dahinter. Kleidung der Spieler war blaue Hose und ein weißes Trikot mit einem blauen Stern auf der Brust. Dazu die übliche Ausrüstung. Als Tor dienten zwei Stangen mit einer Schnur darüber.«
WEITERE SPORTARTEN FESTIGEN VEREINSSTRUKTUREN
Der frisch gegründete DFC wurde gemeinsam mit Witten 1892 in ganz Westfalen zum Wegbereiter des Fußballs. Aber: Woher Gegner nehmen und nicht stehlen? Gut, man spielte hier und da gegen Turnbrüder verschiedenster Couleur, wenn diese sich mal unbeaufsichtigt fühlten. Trotzdem: Der DFC dümpelte mehr schlecht als recht vor sich hin. Gemeinsam mit dem Berliner Karl Lüdecke reaktivierte der sportbegeisterte Walter Sanß kurz vor der Jahrtausendwende die 95er und festigte die Club- Strukturen. Der Spielbetrieb des DFC wurde durch Sanß Initiativen durch die Disziplinen Schlagball und Faustball ergänzt. Später kamen die äußerst erfolgreichen Leichtathleten hinzu: Dr. Karl Dickel, Arthur Donath, Otto Röhr, Rudolf Sanß und (in den 1950er Jahren) Karl-Heinz Wegmann, die wichtige nationale und internationale Erfolge im Weitsprung, Hürdenlaufen, über die Mittelstrecken und im Kugelstoßen errangen, seien hier beispielhaft erwähnt. Otto Röhr war es auch, der 1919 im Hürdensprint den ersten deutschen Meistertitel in der Geschichte der Sportstadt Dortmund überhaupt errang! Da man kein reiner Fußballclub mehr war, änderte man auch den Namen und nannte sich ab 1919 Dortmunder Sportclub 1895 (DSC 95). Die »Südlichen« von der Flora wurden Dortmunds erster Renommierclub.
10.000 ZUSCHAUER IN DEN 50ER JAHREN
Der erste wirklich nachhaltige Erfolg für die DSC-Fußballer folgte 1921 mit der Ruhrgaumeisterschaft. Nach einer Fusion mit Sportfreunde 06 durfte man 1934 in der neuen Gauliga antreten – und scheiterte. Die »Sportehe« wurde wieder aufgehoben. Deutlich erfolgreicher waren jetzt Arminia Marten und der BVB. Richtig freuen konnte man sich als DSCer erst wieder Mitte der 1950er Jahre. 1955/56 errang man die Westfalenmeisterschaft; ab 1956 spielten die Thater, Schrimpf und Co. in der 2. Liga West. Der DSC 95 mit seinem langjährigen und vielumworbenen Mannschaftskapitän Wilhelm Grote an der Spitze war in dieser Zeit die zweite Kraft des Fußballs in Dortmund und zählte bei seinen Meisterschaftsspielen im Stadion Rote Erde gut und gern mal bis zu 10.000 Besucher. Damit war die Fußball-Geschichte der Pioniere von der Flora allerdings auch schon so gut wie abgehakt. Nach der Fusion mit Eintracht Dortmund nennt man sich seit 1969 nämlich TSC Eintracht 48/95 und ist nunmehr ein Teil des renommierten Dortmunder Großvereins.