„Der Sport muss zeigen, dass Klimaschutz Spaß machen kann“

Im deutschen Sport ist das Thema Nachhaltigkeit vielerorts angekommen. Sportverbände und -vereine suchen nach Lösungen, wie sie ihren Sport noch lange ausführen können oder welchen verantwortungsvollen Beitrag sie im Kampf gegen die Klimakrise leisten können. Eine Initiative ist Sports For Future und wir haben mit dem Vorsitzenden Stefan Wagner über die Rolle des Sports im Klimawandel gesprochen.

Was ist Sports For Future? Sind das junge Leute, die freitags nicht zum Sport gehen, weil sie an Klima-Demos teilnehmen?
Sports For Future ist eher ein institutioneller Rahmen für Organisationen, Vereine und Verbände im Sport, die sich hinter den Forderungen zur Einhaltung des Pariser Klimaabkommens versammeln wollen. Wir wollen gemeinsam versuchen, Impulse in den Sport zu bekommen, um nachhaltiger zu werden. Wir wollen die Plattform des Sports nutzen, um Aufmerksamkeit zu erzeugen bei allen Menschen, die sonst nicht in Berührung mit Klimaschutz-Themen kommen.

Du warst sogar auf der Weltklimakonferenz – wie steht es denn um unser Klima und was ist das Problem daran?
Dass sich unser Zeitfenster schließt, in dem wir tätig werden können, und dass wir eine sehr schnelle Transformation und Abkehr von den fossilen Energien brauchen, ist jedem klar, der sich damit beschäftigt. Das tun wir aber nicht, die Emissionen steigen weiterhin. Mir ist klar geworden, dass die Nord-Süd-Betrachtung sehr wichtig ist. Stehen wir als globaler Norden zu den Zusagen, die wir dem noch nicht entwickelten globalen Süden gemacht haben? Während wir hier noch über Tempolimit und die geeignete Protestform debattieren, gehen im Süden Existenzen und Leben verloren, weil die Länder unter extremer Dürre und Extremwetterbedingungen leiden und das nicht abwehren können. Die zweite Frage ist: Wie schaffen wir es als Weltgemeinschaft wieder zu einer Verabredung wie in Paris zu gelangen und diese auch zu implementieren? Besonders in der aktuell schwierigen geopolitischen Lage ist das eine große Herausforderung. Der ganz große Akteur ist jetzt Indien mit 1,4 Milliarden Menschen und wir müssen es schaffen, dass Indien nicht den Weg geht, wie wir ihn gegangen sind. Aus den Gesprächen habe ich gehört, dass das Land sehr auf Deutschland schaut. Wir müssen als Wohlstandsland Vorreiter sein.

Du vertrittst den Sport, welche Rolle spielt dieser in der Thematik?
Bei der Weltklimakonferenz waren wir die einzigen Vertreter aus dem Sport und der Fußabdruck des Sports ist dort kein Thema. Wenn wir uns aber die Fußball-WM in Katar unter Missachtung der Menschenrechte und großen Emissionen durch die zahlreichen Shuttleflüge anschauen, ist das genau das Gegenteil, was der Sport machen muss. Der Sport muss ein Vorbild und Inspiration dafür sein, dass Transformation möglich ist. Der Sport muss zeigen, dass Klimaschutz nicht gemein, blöd und nervig ist, sondern, dass es Spaß machen und inspirierend sein kann, wenn wir uns gemeinsam auf den Weg machen.

Was hat der Breitensport mit der Klimakrise zu tun?
Alles, denn Millionen von Menschen kommen täglich oder wöchentlich in ihrem Sportverein um die Ecke zusammen. Der Sport hat die Möglichkeit, alle Menschen zu erreichen, und zwar nicht durch eine Tür, die irgendwo schon verortet ist. Wenn wir über unseren gemeinsamen Nenner wie die Begeisterung für eine Sportart sprechen, dann tun wir das mit einer anderen Wertschätzung und Grundhaltung. Und wenn wir als Verein uns dann klarmachen, dass wir selbst etwas tun können, schafft das Aufmerksamkeit und Anknüpfungspunkte für andere Lebensbereiche.

Wenn sich die Klimakrise zuspitzt, hat das auch Folgen für den Sport, welche wären das?
Wir beobachten es bereits im Wintersport, dort wird darüber gesprochen, ob der Saisonkalender anders aussehen muss und wie lange es überhaupt noch möglich ist, den Sport zu betreiben. Aber auch im Fußball sind zum Beispiel Sommerturniere bedroht, weil es zu heiß wird. Schon jetzt müssen immer mehr Trinkpausen eingeplant werden. Der Sport ist wie jeder andere Lebensbereich bedroht.

Du hast mit unterschiedlichsten Sportlerinnen und Sportlern aus unterschiedlichsten Sportarten zu tun. Jeder Sport ist anders klimaschädlich. Führt das zu Konflikten innerhalb der Sportgemeinschaft?
Ich halte nichts von solch einer Diskussion, denn wenn zum Beispiel der Laufsport auf dem ersten Blick klimafreundlicher erscheint, können große Laufsportveranstaltungen sehr CO2-intensiv sein. Der Wintersport scheint vordergründig eher Täter zu sein, weil er sichtbar von der Klimakrise betroffen ist.
Eishallen haben hohe Energieverbräuche, aber im Vergleich zur Fanmobilität anderer Sportarten ist das Ausmaß wiederum gering. Wenn wir anfangen, auf irgendwen mit Fingern zu zeigen, dann werden wir nicht mehr damit aufhören, aufeinander zu zeigen. Zu warten, dass irgendjemand losgeht, wird das Problem nicht lösen. Jeder, der im Sport aktiv ist, muss seine Verantwortung annehmen und beginnen, den Fußabdruck zu reduzieren. Wenn dann Entscheidungsträger Winterspiele in die Wüste vergeben, muss man darauf zeigen, denn dann verliert der Sport seine Glaubwürdigkeit. Aber wenn sich Vereine und Verbände auf den Weg machen und messbare Ziele transparent formulieren, übrigens auch mit der Gefahr des Scheiterns, ist das genau der richtige Weg.

Was kann ein einzelner Sportler oder eine einzelne Sportlerin tun? Bringt ein einzelnes Engagement überhaupt etwas?
Aus einer Person werden schnell viele und darauf zu warten, dass jemand losgeht, ist keine gute Idee. Ein gutes Beispiel aus unserem Sports For Future Netzwerk sind Miranda Wilson, eine Badminton-Spielerin mit ihrem Partner Kai Schäfer. Die beiden haben eine Initiative »Badminton Earth« gestartet, bei der sie Geld für Aufforstungs-, Solar- und andere Nachhaltigkeitsprojekte in der Demokratischen Republik Kongo gesammelt haben. Daraufhin haben sie den Badmintonverband und ihren Bundesligaverein dazu gebracht, dass sie dort als Klimaschutzbeauftragte aktiv geworden sind. Dadurch haben sie viele Menschen mitgenommen und viel Engagement in ihren Sport gebracht. Miranda war zu der Zeit 18 Jahre alt, es kann jeder anfangen und Impulse setzen. Ich bin mir sicher, dass man in jedem Verein Menschen findet, die mitmachen wollen.

Wie sollten aus deiner Sicht Vereine oder Abteilungen das Thema angehen? Die meisten Leitungen haben andere Prioritäten und sind genug damit beschäftigt, überhaupt einen Sportbetrieb aufrecht zu halten.

Es gibt nicht die eine Lösung, wir haben aber ein Handbuch auf unserer Internetseite veröffentlicht und es gibt auch viele weitere Ratgeber mit Ideen, die man sich rauspicken kann. Man findet mit Sicherheit Leute im Verein, die das Thema angehen wollen und dann rate ich, erstmal die großen Hebel ausfindig zu machen, wo man ansetzen kann. Auch Dinge, die schnell und leicht umzusetzen sind, können ein guter Anschub sein.

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